Das Jahr begann für uns mit Rekordschneefall von einem Meter, der drei Tage schulfrei bescherte und das Bauen von ganzen unterirdischen Tunnelstädten ermöglichte – ein großer Spaß für die Kinder, aber lästiges Übel für all diejenigen, die trotzdem irgendwie zur Arbeit kommen mussten.

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Der Frühling verlief recht ereignislos und Lincoln konnte sich gut auf die Arbeit konzentrieren. Da seine Firma Covalent Activewear sich im letzten Jahr von gelegentlichen Bestellungen zu täglich mehreren Aufträgen steigerte, konnte er einen Lageristen und eine Designerin fest einstellen. Außerdem ist die neue Marke „Rules of Play“ entworfen worden und jetzt erhältlich.

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Im Mai haben wir unseren Kindern endlich die lange versprochenen Haustiere geschenkt. Weil Lincoln ein Hundemensch ist und ich ein Katzenmensch bin, waren Kaninchen ein „Kompromiss“, den hauptsächlich ich bestimmt habe, weil, mal ganz ehrlich, ja sowieso das Versorgen an mir hängen bleibt und mich die kuscheligen Hasis vor erneutem Babyfieber schützen. Die sind so putzig, dass wir keinen weiteren Familienzuwachs mehr brauchen. Vor allem jetzt, wo die Kinder endgültig aus der Kleinkindphase raus sind und man alle Aspekte des Lebens wieder richtig genießen kann, anstatt sich dauernd nur um schniefende Nasen und Nickerchen kümmern zu müssen. Milo wurde dieses Jahr 6 und Felix 4. Beide brauchen keinen Mittagsschlaf mehr, so dass wir dieses Jahr viele Tagesausflüge zu Museen, Festivals, oder benachbarten Städten machen konnten ohne Geknatsche, aber mit viel Wissbegierde und Spaß.

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Im Juni hatten wir dann auch den bisher besten Urlaub unseres Lebens. Mit zwei Wochen in Schweinfurt und einer Woche in Italien, hatten wir die perfekte Mischung von Erholung und Abenteuer. Besonders der Urlaub auf dem Bauernhof in Südtirol, wo die Kinder den ganzen Tag draußen und mit Tieren spielen konnten und man fern von allen Alltagssorgen war, war übermäßig idyllisch.

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Sommerferien sind hier drüben übrigens ein ganz schönes Kaliber mit 12 Wochen – da muss man sich viel Urlaub aufsparen / teure Sommercamps buchen, um das zu durchstehen. Abgesehen von der Länge, war der Sommer dieses Jahr super ergiebig, da heiß. Die meisten Tage war Schwimmbadwetter mit über 30 Grad, und viel anderes als schwimmen gehen konnte man bei der Hitze auch kaum machen. Milo hatte durch die viele Übung einen Schwimmdurchbruch und kann jetzt locker zwei Bahnen vorwärts und rückwärts kraulen. Felix dagegen fühlte sich durch das dauernde Spielen im Wasser mit nassen Badehosen eher dazu veranlasst, wieder regelmäßig seine Hosen zu nässen (ein Kind trocken zu kriegen, dem trockene Hosen, Belohnungen oder Bestrafungen egal sind, ist anscheinend ein jahrelanges Unterfangen). Lincoln wurde Eishockey-Meister in seiner Liga, und ich war endlich auch mal wieder fit dank einer Rückkehr zum regelmäßigen Tanzen.

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Nach dem langen Familiensommer, war es ein bisschen schwer für mich, wieder in den Alltag hineinzufinden. Zuerst erschütterten die Nachrichten von Anschlägen in Deutschland mein Sicherheitsgefühl mehr als Attentate, die näher bei uns waren. Hier in den USA überrascht mich mittlerweile nichts mehr und bei den Verbrechensraten hier, muss man eh schon mit mehr Sicherheitsbedenken leben. Aber dass nun auch das Land betroffen war, in dem man so eine sorgenfreie Kindheit und Jugend hatte, das warf mich in eine mehrwöchige essentielle Krise darüber, wie man Kindern in dieser Welt trotzdem ein unbeschwertes Leben ermöglichen kann, während man sie gleichzeitig auch auf negative Aspekte der Welt vorbereitet.

Dazu kam, dass die Auftragslage in meinem Job ein Sommerloch erlebte, und mich die Arbeit nicht mehr so richtig ablenken und motivieren konnte. Nach 7 Jahren bei der gleichen Firma und 3.5 Jahren in der gleichen Position, hatte ich das Gefühl, eine Veränderung zu brauchen, aber konnte mir gleichzeitig ein Leben ohne meine Arbeitsfamilie und traumhaft flexiblen Arbeitsbedingungen nicht vorstellen. Vor allem wusste ich auch nicht wie diese Veränderung aussehen sollte, und ob mich etwas ganz Anderes mehr erfüllen würde, oder ich einfach nur mal ne Pause brauchte. Hausfrau zu sein und mich mal nur um Familie und Haushalt zu kümmern, klang plötzlich gar nicht schlecht, nachdem ich Jahre lang im Beruf Erfüllung gefunden hatte. Eine realistische Lösung ist mir dann aber auch nicht eingefallen.

Im Herbst kam Milo in die erste Klasse. Das Schulsystem hier in den USA ist ja grundsätzlich anders als in Deutschland und es ist interessant die Unterschiede so hautnah zu sehen. Der Fokus auf akademische Leistungen setzt hier schon viel früher ein, so dass man als Elternteil eher dagegen steuern will, um noch viel Spielen zu ermöglichen. Dafür können dann alle Kinder vor Beginn der ersten Klasse mehr oder weniger fließend lesen – zumindest die Wörter, die so ausgesprochen werden, wie sie geschrieben werden. Auch die Anzahl an zusätzlichen Mitarbeitern neben den Klassenlehrern hat mich überrascht. Da gibt es einen Schulpsychologen, einen Schülerberater, Lese-Spezialisten, Hochbegabtenförderer, usw. Da alle Kinder von der ersten bis zur letzten Klasse in die gleichen Schulen gehen, werden Kinder, die etwas mehr Hilfe brauchen speziell unterstützt, und Hochbegabte bekommen zusätzliche Kurse und Aufgaben, damit sie sich nicht langweilen. Trotzdem bleiben alle zusammen in einer Klasse, und lernen, sich gegenseitig in ihren Fähigkeiten zu unterstützen.

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Leider wird diese Ausgangslage eines balancierten Starts ins Leben von vielen nicht so hellen Eltern zunichte gemacht, so dass am Ende eine Gesellschaft heraus kommt, die einfach zu divers ist, um gemeinschaftlich vernünftige Entscheidungen zu treffen / ordentliche Präsidenten zu wählen.  Das ist noch ein ganz besonders aufreibendes Thema, für das hier leider der Platz nicht reicht, aber glaubt mir, dass alle hier um mich rum genauso schockiert waren, wie ihr dort drüben. Man kann das Wahlergebnis ein bisschen besser nachvollziehen, wenn man hier tiefere Einblicke in die Gesellschaft hat, aber gut kann man es trotzdem nicht finden. Nur eine gute Sache, die Trumps Wahl in uns bewirkt hat, ist dass uns gezeigt wurde, dass es jetzt umso wichtiger ist für uns als Individuen einen Beitrag zu einer sozial gerechten und gesunden Gesellschaft zu leisten, wenn die Regierung es schon nicht tun wird, indem wir nicht nur über unsere Ideale reden, sondern auch entsprechend für wohltätige Zwecke spenden und Freiwilligenarbeit leisten. Uns wurde bewusst wie gut es unsere Familie hat, und dass wir wirklich in einer Position angekommen sind, in der wir wieder mehr zurück geben können.

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Selbst ein letztes großes Ereignis im Dezember, konnte uns daher nicht mehr umhauen: Nach fast neun Jahren, in denen von allen Beteiligten viel Schweiß und Blut in eine Firma mit ehrenwertem Auftrag investiert worden war, hat mein Arbeitgeber greeNEWit bankrott erklärt und eine Woche vor Weihnachten zu gemacht. Ich war dort die erste Angestellte und bis zum Ende dabei. Von einem Start-Up mit vier Leuten, haben wir die Firma zu einem vollständig organisierten Unternehmen aufgebaut, aber waren leider von Anfang an unterfinanziert und ohne Kapital kann anscheinend auch das talentierteste Team nur neun Jahre grade so überleben. So wurde letzten Endes die Entscheidung über einen nächsten Karriereschritt für mich getroffen und obwohl hiermit ein großes Kapitel zu Ende geht, vermisse ich hauptsächlich das tägliche Zusammensein mit meinen Mitarbeitern, freue mich aber ansonsten auf neue Herausforderungen im neuen Jahr. Ich bin schon im Gespräch mit ein paar Unternehmen im gleichen Bereich, nehme mir aber noch ein paar Wochen Zeit, voll für meine Familie da zu sein, und andere Möglichkeiten auszukundschaften.

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In den nächsten Wochen werde ich also viel Zeit zum Skypen haben und würde mich freuen, von euch zu hören. Wir wuenschen Euch und eueren Lieben ein ganz tolles neues Jahr!

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Eure Nicola