Mein neuer Job: Meine Firma heißt greeNEWit und wurde vor ca. einem Jahr von drei hypermotivierten jungen Typen gegründet. Josh ist der Business Manager, der alles finanziell zum Laufen bringt. Jason ist der Marketing / Verkaufstyp, der jedem alles aufschwatzen kann. Matej ist aus der Slovakei und für alle technischen Fragen zuständig. Alle drei sind zwei Jahre jünger als ich und ziemlich cool. Wenn sie mich nicht eingestellt hätten, wären wir mindestens Freunde geworden. Von daher ist das Arbeitsklima schon mal ziemlich genial. Ich kann meine Zeit mit gleichaltrigen und gleichgesinnten Menschen verbringen und das nennt sich dann Arbeit. Ich bin deren erste Angestellte und mittlerweile schon voll ins Geschäftsleben integriert. Meine Meinung zählt genau so viel wie die meiner drei Chefs/Kollegen und ich habe im ersten Monat schon einige Arbeitsprozesse umgekrempelt.

Meine Firma ist ein rein beratendes Unternehmen, das sogenannte Energy Audits anbietet. Dabei machen wir Hausbesuche bei Leuten, inspizieren das Gebäude, Isolierung, Heizungssystem usw. und beraten sie dann, mit welchen Maßnahmen sie am meisten Energie einsparen können. Während uns die meisten Leute engagieren, um ihre Nebenkosten zu senken oder den Komfort in ihren Häusern zu erhöhen, geht es uns dabei primär um den umweltschützenden Aspekt – den CO2 Verbrauch einzudämmen. Haus für Haus und durch persönliche Gespräche. Damit verdienen wir unser Geld. Nebenbei, für umsonst, für Marketing und für Ãœberschussidealismus organisieren wir noch Projekte mit den lokalen Schulen und erzählen den Kindern was über´s Energiesparen. Ein großer Teil meines Jobs hängt auch damit zusammen auf verschiedenen grünen Messen präsent zu sein und unsere Firma zu vertreten und bekannt zu machen.
Dieser ganze “grüne” Geschäftszweig ist hier gerade total am Wachsen und ebenso ist meine Firma am expandieren. Jetzt müssen wir uns nur noch auf diesem wachsenden Markt behaupten, von dem im Moment jeder ein Stückchen abhaben will. Aber ich glaube mit dem geballten Wissen, Motivation und Energie, die wir alle vier da rein stecken, werden wir uns ganz gut positionieren können. Im Moment sind wir schon Marktführer in unserem Regierungsbezirk. Aufgrund dieser Wachstumsphase fließt im Moment jeder Gewinn zurück in die Geschäftsentwicklung und ich werde im Moment noch auf Kommission bezahlt, bis sich alles gefestigt hat. Damit lebe ich aber im Moment auch ganz gut. Und der Rest wird in Erfüllung und Anerkennung bezahlt.

Ebenso exponentiell wie meine Firma wächst, ist auch meine Blitzkarriere in den letzten sechs Wochen verlaufen. Im Januar bin ich auf 15 Inspektionen mit meinem Kollegen Jason gewesen und habe dabei und nebenbei durch Lesen erstmal die Grundlagen über das Häuslebauen hier gelernt. Alles ist hier total anders gebaut als in Deutschland und daher habe ich kenntnistechnisch mal so richtig bei Null anfangen müssen. Anfang Februar hatte ich dann meine offizielles Training durch die Zertifizierungsstelle (Building Professional Institute) und musste einen schriftlichen Test und einen Praxistest bestehen. Meine Klassenkameraden waren alle Handwerker und Häuslebauer, aber mit ein bisschen Einsatz von Logik und meinem wiederbelebten Hirn, habe selbst ich alles gut gemeistert. Jetzt kenn ich nicht nur gefühlte 500 neue Vokabeln von Gebäudeteilen, sondern habe auch eine ziemlich gute Ahnung davon wie die Häuser gebaut wurden und wie die Energie darin fließt. 90 Grad Steigung der Lernkurve, glaube ich.
In meiner offiziellen Asubildung kam ich mir ziemlich retro vor, weil ständig gepredigt wurde, wie schlecht alles hier gebaut ist und wie gut alles in Europa ist. Deutschland baut anscheinend die besten Heizungssysteme weltweit. Diese ganzen energiesparenden Systeme waren für mich nichts Neues. Ich musste im Gegensatz erstmal lernen, wie man nicht Energie spart. Der Grund, warum wir hier so viel Arbeit zu tun haben, ist die Hohlbauweise der Häuser. (Hohl dabei im doppelten Sinne des Wortes). Man muss sich das so vorstellen, dass erstmal die Wände als Holzgerüst hochgezogen werden. Dann wird von außen Holz dran gepappt und von innen Gipswände. Die Außenwände füllt man gnädigerweise mit Glaswolle, die ein bisschen isoliert, aber nich gegen Luftzug schützt. Die Innenwände bleiben hohl. Die Böden werden genauso konsturiert und auf die Wände gelegt. Bleiben generell auch hohl, weils billig ist und damit die warme Luft in den oberen Stock ziehen kann und man untern schön die Fußtritte von oben hört. Nun haben wir also ein Haus, dessen Wände und Böden einzige große Lufträume sind. Wenn dann auf der einen Seite des Hauses zum Beispiel ein Balkon angebracht wird, zieht es durch die Bolzen schön in die Außenwände rein oder in die Fußböden, von dort aus in alle Richtungen weiter, bis die kalte Luft zum Beispiel durch Steckdosen oder unter Fußleisten in die warme Wohnung kriecht. Ich hoffe, ich habe das einigermaßen anschaulich erklärt. Fazit der Geschichte: Es zieht durchs ganze Haus und jegliche geheizte Luft ist sofort wieder durch die Ritzen entfleucht. Unser Job ist es daher hauptsächlich die Löcher zu finden, die den Luftzug kreieren. Außerdem checken wir die Effizienz der Heizungssysteme, der Fenster, Isolierungslevel, usw. Unser coolstes Gerät dabei ist die Infrarotkamera, die Wärme abbildet und zeigt, wo es kalt rein kommt, oder Wärme verloren geht. Wenn man damit ein Bild von mir macht, sieht man, dass ich nicht gerade den dicksten Pulli anhabe und meine Nase und Wangen kälter sind als der Rest des Gesichts. (Siehe Anhang).

Im Moment gehe ich hauptberuflich auf Hausbesuche ca 6 pro Woche), analysiere dabei spaßeshalber die Soziologie der Hausbesitzer, und bringe unsere Arbeitsprozesse auf ihren effizientesten Stand. Ich arbeite gerade daran, unseren Bericht zu verbessern und ein technisches Protokoll für die Inspektionen zu erstellen. Bald soll nämlich ein weiterer Auditor eingestellt werden, und in der näheren Zukunft bin ich dann dafür zuständig, die Auditors einzuarbeiten und den kompletten Privatbereich zu managen. Die Jungs konzentrieren sich im Moment darauf, den Bereich für kommerzielle Audits aufzubauen. Somit sind meine Aufstiegschancen, wenn die Geschäftsentwicklung gut läuft, ideal. Ach, und habe ich schon erwähnt, dass das Büro nur fünf Minuten mit dem Fahrrad von meinem Haus ist? Arbeiten kann ich auch von zuhause aus und zu welcher Tages- und Nachtszeit ich will (wenn ich nicht gerade zu einem Kunden fahren muss).